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Hoher Aufwand für FINMA-Auditoren unabhängiger Vermögensverwalter: Systemfehler und Verbesserungsansätze

Unabhängige Vermögensverwalter (UVV) in der Schweiz unterstehen seit Inkrafttreten des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) einer neuen Aufsichtsstruktur. Sie benötigen eine Bewilligung der FINMA und müssen sich einer von fünf zugelassenen Aufsichtsorganisationen (AO) anschliessen. Die AOs – wie AOOS, FINcontrol, OSIF, OSFIN und SO-FIT – übernehmen die laufende Aufsicht über die Vermögensverwalter im Auftrag der FINMA. In der Praxis erfolgt diese Aufsicht wesentlich durch jährliche Prüfungen, welche nicht die FINMA oder die AO selbst durchführen, sondern von externen Revisionsgesellschaften (Auditoren) wahrgenommen werden.

Diese Konstellation – FINMA an der Spitze, darunter fünf AOs, und wiederum darunter zahlreiche Prüfgesellschaften – hat zu einem zweistufigen Modell geführt, das in der Umsetzung einige Ineffizienzen und unnötigen Mehraufwand offenbart. Die folgenden Abschnitte beleuchten faktengestützt die wichtigsten Problemfelder für die Auditoren sowie die Auswirkungen auf die beaufsichtigten Vermögensverwalter. Zudem werden mögliche Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert. Der Ton bleibt sachlich-analytisch, um Entscheidungsträgern, Aufsichtsorganisationen, Vermögensverwaltern und Auditoren einen klaren Überblick über die Lage zu geben.

Zersplitterte Zulassung: Mehrfache Akkreditierung der Auditoren

Ein zentrales Problem liegt in der Zulassung von Prüfgesellschaften und leitenden Prüfern durch die AOs. Jede Aufsichtsorganisation akkreditiert ihre Auditoren selbst, anstatt auf eine einheitliche oder gegenseitig anerkannte Zulassung zu setzen. Konkret bedeutet dies: Möchte eine Revisionsgesellschaft Institute unter verschiedenen AOs prüfen, muss sie für jede AO ein separates Zulassungsverfahren durchlaufen – inklusive Einreichung diverser Unterlagen, Nachweisen von Prüfungsstunden, Strafregisterauszug, Lebenslauf usw., wie es die jeweiligen Wegleitungen verlangen. Ebenso müssen alle leitenden Revisoren (Prüfer mit Verantwortung für den Prüfungsauftrag) pro AO zugelassen werden. Diese Doppelspurigkeiten kosten Zeit und Geld und schaffen keinen erkennbaren Mehrwert in der Qualität der Aufsicht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung sind zwar gesetzlich vorgegeben (Art. 43k FINMAG, Art. 13 AOV) – z.B. mindestens fünf Jahre Berufserfahrung und 200 Stunden Prüfpraxis im relevanten Bereich. Auch müssen leitende Prüfer eine bestimmte Mindest-Weiterbildung absolvieren (siehe nächster Abschnitt). Doch jede AO setzt diese Anforderungen administrativ eigenständig um. So existieren unterschiedliche Formulare, Prüfungsordnungen und Prozessabläufe je AO. Auditoren müssen sich in mehrere ähnliche, aber nie identische Regelwerke einarbeiten. Allein die Lektüre und Kenntnis verschiedener Wegleitungen und Stichprobenmethodiken bindet Ressourcen, die anderweitig produktiver eingesetzt werden könnten. Ein Auditor berichtet, dass er pro Prüfungssaison separate Checklisten und Dokumentationsanforderungen für jede AO erstellen muss, da jedes Aufsichtsorgan eigene Vorgaben zur Unterlagenbeibringung hat. Dieser Mehraufwand ist schwierig direkt an Kunden weiterzugeben – er bleibt oft als Overhead bei der Revisionsfirma hängen und erhöht indirekt die Kostenstruktur der Prüfungen.

Hinzu kommt, dass jedes Jahr eine Rezertifizierung bzw. Bestätigung der Zulassung erfolgt. AOs erheben dafür jährliche Gebühren. Beispiel OSFIN: Eine Prüfgesellschaft bezahlt für die Zulassung zunächst CHF 1'000 (Pauschale Gesuchsprüfung) und dann jährlich CHF 500 für die Aufsicht über die Prüfgesellschaft. Andere AOs haben abweichende Gebührenmodelle – etwa AOOS, wo neben einer Grundgebühr pro Institut zusätzlich pro leitenden Prüfer ein Betrag fällig wird (in Summe z.B. rund CHF 1’100 jährlich für eine kleine Prüfgesellschaft mit zwei leitenden Prüfern, zuzüglich Mehrwertsteuer, gemäss Angaben eines Auditors). Diese Gebühren entstehen multiplikativ, wenn eine Prüfgesellschaft bei mehreren AOs akkreditiert ist. Aus Perspektive der Auditoren wie auch der geprüften Institute stellt sich die Frage, ob fünf parallele Zulassungssysteme nötig sind, oder ob hier Synergien und Anerkennungen geschaffen werden könnten, um Kosten und Aufwand zu senken.

Hohe Weiterbildungspflichten: Aufwand und Nutzen

Sowohl die FINMA wie auch die Berufsverbände legen grossen Wert auf die fachliche Qualifikation der Auditoren. Leitende Prüfer müssen jährlich mindestens 8 bis 16 Stunden fachspezifische Weiterbildung absolvieren, je nach Auslegung der zuständigen AO. Diese Anforderungen betreffen insbesondere Themen wie Geldwäschereiprävention (GwG), Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz (FIDLEG/FINIG) und weitere einschlägige Regulierungen (entsprechend Art. 84 FINIV). Zusätzlich fordert der Berufsstand – etwa EXPERTsuisse als führender Branchenverband – von zugelassenen Revisionsexperten rund 60 Stunden Weiterbildung pro Jahr (davon 30 Stunden durch anerkannte externe Kurse und 30 Stunden im Selbststudium). Die AO-Weiterbildungen können zwar angerechnet werden, bedeuten aber de facto, dass ein leitender Prüfer eines kleinen Revisionsunternehmens fast anderthalb Wochen pro Jahr ausschliesslich mit Schulungen verbringt.

Dieser Zeitaufwand ist häufig nicht produktiv verwertbar. Kurse und Seminare finden werktags statt, was für den Auditor Umsatzausfall bedeutet. Ein Praxisbeispiel: Zwei halbtägige Weiterbildungsseminare (je ~4 Stunden) pro Jahr können leicht direkte Kursgebühren von CHF 600–1000 verursachen, zuzüglich Reisezeit und -kosten bei Präsenzveranstaltungen. Ein Auditor schildert, dass ein 4-Stunden-Kurs in Zürich durch 2 Stunden An- und Abreise effektiv 6 Stunden Arbeitszeit bindet – das entspricht in Summe etwa 1,5 Arbeitstagen pro Jahr, die nicht für Kundenaufträge zur Verfügung stehen. Umsatzseitig bedeutet das bei einem Stundensatz von z.B. CHF 200 schnell mehrere Tausend Franken Opportunitätskosten. Gerade für kleinere Revisionsfirmen mit begrenzten personellen Ressourcen sind solche Weiterbildungstage kaum vollumfänglich verrechenbar und stellen eine wirtschaftliche Belastung dar.

Die direkten Kosten der Weiterbildung sind ebenfalls nicht trivial: Branchenübliche Seminare zu regulatorischen Themen schlagen pro Tag mit einigen hundert Franken zu Buche. Eine Pflichtweiterbildung von 8 Stunden kann insgesamt um die CHF 800–1000 an Kursgebühren kosten – ein Betrag, den man durchaus als hoch bezeichnen kann, wenn man bedenkt, dass es regelmässig anfällt. Einige Auditoren beziffern die effektiven Weiterbildungskosten inklusive Kursgebühren, Reise- und Zeitaufwand auf bis zu CHF 4’000 jährlich, was bei kleinen Prüfgesellschaften als unverhältnismässig empfunden wird. Dazu kommen – wie erwähnt – indirekte Kosten (Reise, Arbeitsausfall) und Aufwände für Dokumentation: Die Teilnahmebestätigungen müssen gesammelt und jeweils anfangs Jahr der AO zur Rezertifizierung eingereicht werden. Letzteres ist zwar administrativ überschaubar (die meisten Kursanbieter liefern elektronische Bestätigungen, die nur noch weitergeleitet werden müssen), trotzdem ist es zusätzlicher Aufwand, der strikt genommen keinen unmittelbaren Nutzen für die Prüfqualität stiftet, sondern “nur” der formalen Aufsicht dient.

Wichtig ist zu betonen, dass fachliche Weiterbildung grundsätzlich als sinnvoll erachtet wird – sowohl von Auditoren als auch von der FINMA. Niemand stellt infrage, dass regulatorische Kenntnisse aktuell gehalten werden müssen, insbesondere in einem dynamischen Umfeld mit neuen Gesetzen und Ausführungsbestimmungen. Zahlreiche Auditoren kritisieren, dass der praktische Nutzen vieler Schulungen gering bis nicht vorhanden ist – insbesondere bei standardisierten Online-Modulen. Die Inhalte seien oft rein regulatorisch und kaum auf den Prüfalltag übertragbar, was die Investition von Zeit und Geld nur schwer rechtfertigt. Viele der derzeit angebotenen Weiterbildungsformate, oft in Form von Webinaren oder Frontalunterricht, vermitteln vor allem theoretische Vorgaben und Pflichten – teils in einer Art, die den Teilnehmern eher ein mulmiges Gefühl („schlechtes Gewissen“) hinterlässt, was alles noch zu erfüllen wäre, statt konkrete Best-Practice-Lösungen für den Arbeitsalltag zu bieten. So werden zwar die zahlreichen regulatorischen Anforderungen detailliert erläutert, es fehlt aber häufig an pragmatischen Hinweisen, wie weit die Institute in der Umsetzung tatsächlich gehen müssen. Ein Auditor bemerkt, es werde in Schulungen oft viel Angst vor Nicht-Compliance geschürt, ohne gleichzeitig klar einzugrenzen: “bis hierhin müsst ihr dokumentieren und weiter ist es nicht zwingend”. Diese Unsicherheit führt dazu, dass z.B. externe Compliance-Beratungsfirmen von Vermögensverwaltern lieber mehr als weniger verlangen, um ja auf der sicheren Seite zu sein – was für die Institute teils enorme Zusatzkosten generiert, ohne dass klar ist, ob diese Übererfüllung wirklich nötig war. Hier wünschen sich Praktiker stärkeren Praxisbezug und Austausch, etwa durch moderierte Runden, an denen Auditoren, Compliance-Spezialisten, FINMA-Vertreter und die Vermögensverwalter selbst gemeinsam Erfahrungen austauschen. Solche ERFA-Gruppen könnten helfen, einen gemeinsamen Nenner zu finden, was “angemessene” Umsetzung der Vorschriften bedeutet, und damit die Ausbildung effektiver machen.

Darüber hinaus berichten Auditoren, dass der Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der Weiterbildungsformate in der Praxis stark eingeschränkt ist. Viele greifen auf AO-eigene Kurse zurück, nicht weil diese qualitativ bevorzugt würden, sondern um Fragen zur Anerkennung alternativer Formate zu vermeiden. Selbst interne Schulungen oder themenspezifische Fortbildungen mit hohem Praxisbezug gelten oft nicht als formal ausreichend. Das reduziert die Möglichkeiten, Weiterbildung gezielt auf die tatsächlichen Anforderungen der Prüfungspraxis auszurichten – und verstärkt den Eindruck mangelnder Effizienz.

Positiv zu vermerken ist, dass in einem Teilbereich bereits Bewegung erkennbar ist: Weiterbildung der Geschäftsleiter von Vermögensverwaltern. Anfangs hatten einige AOs hier starre Vorgaben gemacht (teils 8 Stunden jährlich, andere 3 Stunden, etc.), was für Verwirrung sorgte. Im Juli 2024 hat die FINMA jedoch klargestellt, dass keine fixen Minimalstunden pro Jahr vorgeschrieben werden sollen. Es liege in der Verantwortung der qualifizierten Geschäftsführer, für angemessene Fortbildung zu sorgen; ein jährlicher Nachweis sei ausreichend. Daraufhin haben die AOs die pauschale 8-Stunden-Vorgabe für die Geschäftsführerschulungen fallengelassen. Diese Flexibilisierung für Vermögensverwalter selbst zeigt, dass starre Stundenansätze nicht alternativlos sind. Denkbar wäre Ähnliches auch für Auditoren: Solange qualitativ nachgewiesen ist, dass Fachkenntnisse auf dem aktuellen Stand sind (z.B. durch Prüfungsstunden, Peer-Austausch oder on-the-job Schulungen), könnte man vielleicht auf die exakte Stundenzahl weniger dogmatisch schauen. Momentan jedoch ist die 8-Stunden-Pflicht für Prüfer fest in der AOV und den AO-Reglementen verankert.

Ineffiziente Prüfungsprozesse und Berichtsabläufe

Neben Zulassung und Ausbildung zeigen sich weitere systembedingte Ineffizienzen im eigentlichen Prüfungsablauf und der Kommunikation mit den AOs. Ein Beispiel ist die Erstellung der Prüfberichte: Einige AOs stellen hierfür keine modernen Tools bereit, sondern verlangen umfangreiche Berichtsdokumente, die jedes Jahr aufs Neue manuell erstellt oder ausgefüllt werden müssen. So wird etwa berichtet, dass der standardisierte Prüfbericht bei einer AO jedes Jahr über 100 Seiten umfasst – ohne technische Möglichkeit, die Inhalte aus dem Vorjahresbericht vorbefüllen zu lassen. Das bedeutet, dass der leitende Prüfer jedes Jahr viele Textstellen und Tabellen quasi identisch wieder ausfüllen muss, was mindestens einen halben Manntag reine Kopier- und Schreibarbeit verursacht. Abgesehen von der Zeitverschwendung erhöht dies auch die Fehleranfälligkeit. Besser wäre ein Online-Formular oder Tool, das Vorjahresdaten übernimmt und nur Änderungen oder neue Feststellungen eingibt. Tatsächlich zeigt eine andere AO, dass es geht: AOOS hat beispielsweise ein Online-Portal entwickelt, über das die Prüfer ihre Befunde strukturiert erfassen können – eine deutlich effizientere Vorgehensweise, die von Auditoren lobend erwähnt wird. Hier offenbart sich allerdings wiederum die Inkongruenz zwischen AOs: Jede hat ihre eigenen Vorlagen und Systeme. Ein Best Practice-Ansatz, der allen zugutekommen würde, wird (noch) nicht einheitlich angewandt.

Ein weiteres Problem stellt die zeitliche Koordination und Kommunikation mit den Aufsichtsorganisationen dar. Häufig werden Rückfragen der AO zu den eingereichten Prüfungsberichten mit erheblicher Verzögerung gestellt – nicht selten erst vier bis sechs Monate nach Einreichung des Berichts. Für die Auditoren bedeutet das: Zu diesem Zeitpunkt ist die Prüfung längst abgeschlossen und abgerechnet. Müssen nun Unklarheiten oder Zusatzfragen beantwortet werden, fällt dies entweder als unbezahlter Mehraufwand an oder man muss dem geprüften Institut im nächsten Jahr erneut Zeit in Rechnung stellen – was natürlich ungern gesehen wird, da es die Kosten erhöht. Zudem ist es aus Sicht der Qualität suboptimal, so spät nachzufragen: Je mehr Zeit seit der Vor-Ort-Prüfung vergangen ist, desto schwieriger und zeitraubender ist es für den Prüfer, Detailfragen zu klären (Unterlagen müssen wieder hervorgeholt, Sachverhalte neu rekonstruiert werden). Idealerweise sollten Rückmeldungen der AO zeitnah nach Prüfungsabschluss erfolgen – am besten innerhalb weniger Wochen – damit die Informationen noch frisch sind und effizient verarbeitet werden können. Hier wäre eine Verpflichtung der AOs zu rascher Prüfung und Feedback wünschenswert. Andernfalls bleiben die Auditoren entweder auf den Kosten sitzen oder die beaufsichtigten Vermögensverwalter zahlen indirekt für diese Verzögerungen.

Auch die Termindichte und Saisonspitzen in der Prüfungsplanung stellen ein systemisches Problem dar. Viele unabhängige Vermögensverwalter haben das Geschäftsjahr gleich dem Kalenderjahr, wodurch ihre jährlichen Berichterstattungs- und Prüfpflichten typischerweise im ersten Halbjahr anfallen. Die AOs verlangen beispielsweise, dass spätestens bis zum 30. Juni eines Jahres die Prüfung durchgeführt und der Bericht eingereicht ist (OSFIN schreibt vor, dass die Beaufsichtigten bis 30. Juni eine Prüfgesellschaft beauftragen müssen). Die Folge: In den Monaten Mai und Juni ballen sich die aufsichtsrechtlichen Audits. Für Revisionsgesellschaften, die viele Vermögensverwalter gleichzeitig betreuen, entsteht ein enormer Workload-Peak. Auditoren berichten, dass sie in dieser Zeit kaum Luft haben, um sich auf jede einzelne Prüfung so gründlich vorzubereiten, wie sie es gerne würden – einfach weil Termine dicht an dicht liegen. Unter solchem Zeitdruck besteht die Gefahr, dass die Fokussetzung bei Vor-Ort-Prüfungen nicht immer optimal ist; man arbeitet Checklisten ab, ohne immer die spezifischen Risiken des Instituts voll zu durchdringen. Hier wäre zu überlegen, ob die Prüfungstermine flexibler gestaltet werden könnten. Tatsächlich lässt das Gesetz bzw. die FINMA eine risikobasierte Prüfperiodizität zu: Die AO kann bei geringen Risiken die Prüfungsfrequenz auf bis zu alle vier Jahre strecken. In der Praxis scheint dies aber (noch) selten genutzt – womöglich auch aus Sorge, etwas zu übersehen. Alternativ könnten AOs untereinander oder mit der FINMA abstimmen, die Termine staffeln – zum Beispiel nicht für alle Institute uniform auf Mitte Jahr zu fixieren, sondern rollierend. Allerdings greifen hier gesetzliche Fristen, die einheitlich sind. Somit bleibt als realistischere Massnahme, dass Auditoren und Institute frühzeitiger planen und sich ggf. auf Prüfungen auch mal im ersten Quartal verlegen, bevor der grosse Ansturm kommt. Die derzeitige Häufung im Frühsommer ist jedenfalls ein Effizienz- und Qualitätsrisiko.

Uneinheitliche Vorgaben und fehlende Best Practices

Die FINMA hat zwar einen einheitlichen Prüfungsfragenkatalog sowie eine Aufsichtsprüfverordnung erlassen, die Scope und Methode der Prüfungen regelt. Dennoch zeigt sich in der Umsetzung durch die verschiedenen AOs eine uneinheitliche Auslegung in zahlreichen Detailfragen. Jeder Auditor, der mit mehr als einer AO zu tun hat, kann bestätigen, dass Interpretationen von Vorschriften divergieren. So wurde beispielsweise die Weiterbildungspflicht der Vermögensverwalter-Mitarbeitenden je nach AO anfänglich unterschiedlich streng definiert – bei einer AO sollten jährlich 8 Stunden Schulung nachgewiesen werden, bei einer anderen genügten 3 Stunden, wiederum andere machten keine konkreten Stundenangaben, solange „angemessene“ Fortbildung stattfand. Ein anderes Beispiel betrifft die Ausgestaltung der Geldwäscherei-Risikoanalyse: Hier scheinen die Erwartungshaltungen der AOs auseinanderzugehen, was Detailtiefe und Aktualisierungshäufigkeit angeht. Während AO X vielleicht jährliche Aktualisierung fordert, könnte AO Y einen dreijährlichen Turnus als ausreichend erachten – schriftlich fixiert ist das selten, aber es zeigt sich in der Praxis durch Rückmeldungen auf die Berichte.

Für die Auditoren bedeutet diese Uneinheitlichkeit vor allem Unsicherheit und Mehraufwand. Man möchte natürlich den Bericht so schreiben, dass er den Vorstellungen der jeweiligen AO entspricht – mangels klarer Best Practice muss jedoch oft zunächst die eigene Interpretation angewandt werden. Erst im Nachgang erfährt der Prüfer dann vielleicht durch die AO-Kommentare, dass man bestimmte Sachverhalte anders dokumentieren oder beurteilen sollte. Das ist ineffizient. Noch gravierender: Vermögensverwalter, die aus irgendeinem Grund die AO wechseln (was grundsätzlich per Jahresende möglich ist), könnten bei der neuen AO plötzlich mit etwas anderen Schwerpunkten konfrontiert sein, obwohl die gesetzlichen Vorschriften identisch sind.

Auditoren vermissen daher branchenweite Best Practices oder zumindest eine bessere Koordination unter den AOs, um solche Differenzen zu reduzieren. In früheren Jahren, unter dem alten Regime der Selbstregulierungsorganisationen (SRO) im Geldwäschereibereich, hatte man bereits die Situation, dass jede SRO ihre eigenen Auslegungen der GwG-Pflichten hatte. Dies war einer der Gründe, warum man im FINIG überhaupt die indirekte Aufsicht mit staatlich bewilligten AOs einführte – um mehr Einheitlichkeit und Professionalität zu erreichen. Nun besteht die Gefahr, dass sich die AOs wieder auseinanderentwickeln, wenn nicht aktiv gegengesteuert wird. In einem Punkt geschah dies bereits (Weiterbildungsvorgaben, siehe oben), aber in vielen operativen Prüfungsfragen wäre eine Angleichung der Prüfmethodik und -tiefe wünschenswert.

Zum Beispiel nennen Prüfer das Thema “regelmässige Überwachung” diverser Compliance-Aspekte: Gesetz und Verordnung formulieren solche Pflichten bewusst offen (z.B. die Geschäftsführung muss “regelmässig” die Angemessenheit gewisser Prozesse überprüfen). Was „regelmässig“ bedeutet, liegt im Ermessen. Die Auditoren müssen in ihrem Bericht beurteilen, ob die Praxis des Instituts ausreichend ist. Ohne Best Practice Leitfaden tendiert man eher dazu, vorsichtshalber strenge Massstäbe anzulegen, damit einem kein Vorwurf gemacht werden kann. Eine AO könnte jedoch finden, dass man übertreibt – oder umgekehrt, dass man zu milde war. Es fehlt ein gemeinsam definiertes Verständnis, das allen kommuniziert wird. Hier könnten die AOs zusammen mit der FINMA Leitlinien oder Rundschreiben erarbeiten, die für typische Fragestellungen einen Korridor vorgeben (ähnlich einer "FAQ der Aufsicht", die fortlaufend ergänzt wird). Dadurch würden sowohl Prüfer als auch geprüfte Institute mehr Sicherheit bekommen, was erwartet wird.

Während einzelne AOs als kooperativ erlebt werden, berichten andere Auditoren von einem eher formalen Verhältnis ohne echten Austausch auf Augenhöhe. Der ursprünglich angestrebte praxisnahe Dialog zwischen Aufsicht und Prüfern findet nicht überall in der gewünschten Qualität statt.“

Auswirkungen auf Kosten und Qualität der Prüfung

Die beschriebenen Faktoren – Mehrfachzulassungen, intensive Weiterbildung, ineffiziente Prozesse und uneinheitliche Vorgaben – bleiben nicht ohne Folgen. Zum einen entsteht ein erheblicher Kostenblock auf Seiten der Prüfgesellschaften, der letztlich entweder zu höheren Preisen für die vermögensverwaltenden Institute führt oder die Marge der Auditoren schmälert (falls sie versuchen, trotz Mehraufwand die Preise stabil zu halten). Viele Auditoren sind bemüht, kosteneffizient zu arbeiten, weil sie wissen, dass insbesondere kleine Vermögensverwalter keine üppigen Budgets für Revision haben. Doch je mehr fixe Aufwände durch Regulierung und Aufsicht entstehen, desto weniger Spielraum bleibt. Weiterbildungstage, AO-Gebühren, unproduktive Dokumentationsarbeit – all das drückt sich früher oder später in den Prüfungshonoraren aus. Es wurde berichtet, dass die ex ante kalkulierten Prüfungskosten für FINMA-konforme Prüfungen unabhängiger Vermögensverwalter deutlich höher liegen als früher bei den reinen GwG-Prüfungen unter SROs. Ein Teil davon ist natürlich der breitere Scope (neu kommen FIDLEG/FINIG-Themen hinzu). Aber ein Teil sind eben auch Transaktionskosten der Aufsichtsstruktur.

Für die Vermögensverwalter als Kunden der Auditoren ist dies eine unbequeme Entwicklung: Steigende Prüfungskosten belasten vor allem kleinere Institute, die ohnehin mit neuen Regulierungsaufgaben (z.B. Kundensegmentierung, Dokumentationspflichten nach FIDLEG) kämpfen. Wenn diese Kosten jedoch aus Ineffizienz resultieren und nicht aus tatsächlicher Mehrleistung in der Prüfung, stellt sich die Frage der Verhältnismässigkeit. Die Aufsicht soll ja eigentlich risikoorientiert und proportional sein.

Zum anderen leidet auch die Prüfungsqualität bzw. -effektivität, wenn Auditoren überlastet sind oder Ressourcen falsch allokiert werden. Ein erfahrener Revisor kann seine Zeit nur einmal verwenden: Steckt er viele Stunden in formale Akkreditierungsprozesse und repetitive Dokumentation, fehlen ihm diese Stunden vielleicht bei der Vertiefung eines heiklen Prüfthemas oder beim Dialog mit dem Kunden über Verbesserungspotenziale. Die Hektik in Stosszeiten (Mai/Juni) kann dazu führen, dass weniger tief in die Materie eingedrungen wird, sondern eher Häkchen gesetzt werden. Aus Sicht der Aufsichtsziele (Anlegerschutz, Prävention von Finanzkriminalität) ist das kontraproduktiv.

Im schlimmsten Fall könnten gute, kleinere Revisionsunternehmen sich entschliessen, das Segment der Vermögensverwalter-Prüfungen aufzugeben, weil Aufwand und Ertrag in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Dies würde den Markt verengen und vielleicht mittelfristig zu einer oligopolistischen Struktur führen, in der nur noch grosse Prüfer aktiv sind – was kaum im Interesse des Wettbewerbs und der Institute wäre. Es ist also im Sinne aller Beteiligten, frühzeitig Verbesserungen anzustreben, um die Aufsichtsprüfung effizient und qualitativ hochwertig zu gestalten, ohne unnötige Kosten aufzubürden.

Lösungsansätze und Verbesserungsmöglichkeiten

Wie könnte das System pragmatisch verbessert werden, ohne die Aufsichtsqualität zu gefährden? Aus den Erfahrungen der Auditoren und den obigen Analysen ergeben sich mehrere Ansatzpunkte:

  • Einheitliche Zulassung bzw. gegenseitige Anerkennung: Anstatt dass jede AO ihre eigenen Prüfer zulässt, könnte eine zentralisierte Prüfer-Zulassung eingeführt werden. Beispielsweise könnte die FINMA oder die Eidg. Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) ein Qualitätssiegel für AO-Prüfer vergeben, das dann automatisch von allen AOs akzeptiert wird. Die AOs könnten weiterhin spezifische Informationen (z.B. über betreute Institute) einholen, aber die Grundqualifikation müsste nicht fünfmal geprüft werden. Dies würde Bürokratie abbauen. Ein Zwischenschritt könnten Absprachen zwischen AOs sein, die lauten: „Wenn Auditor X bei AO A zugelassen ist, erkennen wir von AO B dies grundsätzlich an und fordern nur marginale Zusatzangaben.“ Erste Ansätze in diese Richtung gibt es bei Weiterbildungen, wo zumindest Kurse eines anderen AOs oft angerechnet werden – warum also nicht beim ganzen Zulassungsprozess?
  • Standardisierung von Prüfungsabläufen und Berichtsformaten: Die AOs sollten gemeinsam – eventuell moderiert durch die FINMA – ein Standard-Set an Prüfunterlagen entwickeln. Ein einheitlicher Fragenkatalog liegt ohnehin vor; darauf basierend könnte ein gemeinsames digitales Reporting-Tool entstehen, das alle AOs nutzen. So ein Tool könnte es Prüfern erlauben, für jedes Mandat das gleiche Interface zu verwenden, nur mit Auswahl der zuständigen AO, woraufhin automatische Anpassungen (z.B. Logos, Empfängeradresse, feine inhaltliche Nuancen) erfolgen. Idealerweise würde dieses System Daten von Vorjahr übernehmen und Vergleichsmöglichkeiten bieten. Eine Zentralisierung der IT könnte zudem Kosten sparen, da nicht jedes AO sein eigenes System entwickeln muss.
  • Beschleunigung der Feedbackprozesse: Es sollte verbindliche Fristen für die AOs geben, bis wann sie auf eingereichte Berichte reagieren (z.B. innerhalb von 2 Monaten nach Eingang). Falls Rückfragen später auftreten, sollte geprüft werden, ob die Kostentragung klar geregelt ist – etwa die AO könnte ein verspätetes Feedback, das über das normale Mass hinausgeht, ggf. im nächsten AO-Beitrag berücksichtigen, sodass nicht der Prüfer oder das Institut allein belastet wird. Transparenz darüber würde den Druck erhöhen, zeitnah zu arbeiten.
  • Bessere Planung und Verteilung der Prüfungen: Wo möglich, sollten Prüfungstermine entzerrt werden. AOs könnten z.B. institute mit geringerem Risiko (etwa sehr kleine Verwalter mit stabilem Geschäftsmodell) nur alle zwei Jahre prüfen lassen, oder zumindest interne Berichts-Stichtage variieren. Wenn einige Institute per 30.6., andere per 30.9. ihren Prüfbericht liefern müssten (je nach Risiko-Kategorie), würde sich die Last auf Auditorenseite verteilen. Auch Vermögensverwalter könnten entlastet werden, wenn nicht alle gleichzeitig im Frühjahr Prüfer im Haus haben. Diese Flexibilisierung erfordert zwar Vertrauen und Mut, entspricht aber dem im Gesetz verankerten risikobasierten Ansatz.
  • Praxisorientierte Weiterbildungskonzepte: Statt überwiegend frontaler Schulungen sollten interaktive Formate etabliert werden, die konkrete Fälle diskutieren und Lösungsansätze erarbeiten. Denkbar sind z.B. Erfa-Gruppen oder Roundtables, wo Auditoren, Vertreter von AOs, FINMA und vielleicht auch Compliance-Verantwortliche von Vermögensverwaltern gemeinsam diskutieren. Dies könnte über Verbandsstrukturen (etwa IGUV, VSV oder EXPERTsuisse) organisiert werden. Solche Veranstaltungen hätten den Vorteil, dass alle Seiten voneinander lernen und Missverständnisse in der Auslegung reduziert werden. Zudem könnten sie kostengünstiger sein als kommerzielle Kurse, wenn sie verbandsintern stattfinden. Auch E-Learning-Module mit Abschlusstest könnten ein Weg sein, flexibler und günstiger Wissen zu vermitteln, ohne ganze Arbeitstage zu blockieren. Die Hauptsache ist, den Nutzen pro investierter Weiterbildungsstunde zu maximieren, damit weder Prüfer noch Institute das Gefühl haben, hier unnötig Zeit/Geld zu verlieren.
  • Stärkere FINMA-Rolle bei Harmonisierung: Die FINMA beaufsichtigt die AOs bereits und könnte in diesem Rahmen stärker darauf hinwirken, dass Interpretationsspielräume einheitlich gehandhabt werden. Regelmässige Koordinationstreffen aller AOs mit der FINMA (sogenannte "College of supervisors") könnten genutzt werden, um Unterschiede zu besprechen und im Konsens Mindeststandards festzulegen. Dies sollte natürlich die Eigenständigkeit der AOs nicht völlig aushebeln – ein gewisser Wettbewerb oder unterschiedliche Ausrichtung kann ja auch Vorteile haben – aber in Kernbereichen der Aufsicht (Weiterbildung, Prüfbericht-Gestaltung, Risikoeinstufungen etc.) würde Einheitlichkeit allen dienen.
  • Überprüfung des Zwei-Stufen-Modells: Das derzeitige Aufsichtsmodell basiert bewusst auf einem zweistufigen System: Die FINMA bewilligt die UVV und beaufsichtigt die AOs, während diese wiederum die laufende Aufsicht über die UVV übernehmen – insbesondere durch Prüfgesellschaften, die jährlich tätig werden. Ziel dieses Modells war es, eine effiziente, kostengünstige und praxisnahe Aufsicht zu schaffen, die näher am Markt operiert als die FINMA es direkt könnte. Die Realität zeigt jedoch: Dieses Ziel wurde bislang nicht erreicht. 

    Statt zu mehr Effizienz hat die Fragmentierung in fünf AOs mit eigenen Zulassungsprozessen, Prüfmethoden und Regelauslegungen zu Mehrkosten und Doppelspurigkeiten geführt – sowohl für Auditoren als auch für die beaufsichtigten Institute. Diese Entwicklungen sind nicht systemimmanent, sondern Folge der fehlenden Harmonisierung und Standardisierung zwischen den AOs. Dabei wäre gerade diese Koordination essenziell, um das ursprüngliche Versprechen der AO-Lösung – niedrigere Kosten im Vergleich zu einer zentralen FINMA-Aufsicht – endlich einzulösen.

    Ein Wechsel zu einer direkten FINMA-Aufsicht birgt aus Sicht vieler Praktiker das Risiko deutlich steigender Kosten, zumal die jüngsten Entwicklungen bei den FINMA-Abgaben bereits eine erhebliche Kostenexplosion zeigen.

    Stattdessen sollte die Politik gemeinsam mit der FINMA und den AOs darauf hinwirken, die vorhandene Struktur effizienter zu gestalten: durch gegenseitige Anerkennung von Prüferzulassungen, einheitliche Weiterbildungsstandards, gemeinsame Prüfmethodik und zentrale digitale Tools. Erst dann kann das zweistufige Modell seine Vorteile ausspielen – nämlich Marktnähe, Fachkenntnis und Wirtschaftlichkeit.

Fazit

Die Einführung der AOs zur Aufsicht unabhängiger Vermögensverwalter war ein wichtiger Schritt, um die Qualität und Einheitlichkeit der Finanzmarktaufsicht in diesem Sektor zu erhöhen. Die praktische Umsetzung hat allerdings Schwachstellen offenbart, die primär zu Lasten der Auditoren und damit letztlich auch der beaufsichtigten Institute gehen. Mehrfachaufwand durch separate Zulassungen, hohe und teure Weiterbildungspflichten, heterogene Prüfvorgaben und ineffiziente Prozesse führen zu zusätzlichen Kosten, ohne den eigentlichen Aufsichts-Mehrwert entsprechend zu steigern. Es gilt nun, diese Fehler im System transparent aufzuzeigen – wie in diesem Artikel geschehen – und im Dialog zwischen FINMA, AOs, Auditoren und Vermögensverwaltern Lösungen zu erarbeiten. Verbesserungen wie eine Standardisierung und gegenseitige Anerkennung sowie der Abbau unnötiger Hürden sind möglich, ohne die Schutzfunktion der Aufsicht zu kompromittieren. Im Gegenteil: Eine schlankere, klarere Aufsichtsprüfung würde Ressourcen freisetzen, die man in echte Risikoanalysen und Beratungen investieren könnte, anstatt in Formalismen. Davon würden alle profitieren – die Prüfer, die Beaufsichtigten und letztlich das Schweizer Finanzsystem als Ganzes. Es liegt nun an den verantwortlichen Organisationen und politischen Entscheidungsträgern, diese Optimierungspotenziale zu erkennen und entschlossen anzugehen.

Quellen: Die Ausführungen basieren auf Angaben erfahrener Prüfexperten aus der Praxis (anonymisierte Interviews) sowie auf öffentlich verfügbaren Informationen der FINMA und Fachpublikationen.

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