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Unabhängige Vermögensverwalter (UVV) in der Schweiz unterstehen seit 2020 und vollständiger Umsetzung ab 2023 einem zweistufigen Aufsichtssystem. Sie benötigen seither eine Bewilligung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) und müssen sich gleichzeitig einer von der FINMA bewilligten Aufsichtsorganisation (AO) anschliessen.
Die FINMA erteilt die Bewilligungen und behält die Durchsetzungs- und Enforcement-Kompetenz, während die laufende Aufsicht (inklusive jährlicher Prüfungen) an die AOs delegiert ist. Dieses Modell sollte hohe Qualitätsstandards und verbesserten Anlegerschutz gewährleisten, ohne die FINMA mit der direkten Überwachung hunderter kleiner Institute zu überlasten. Fünf Jahre nach Einführung des neuen Regimes mehrt sich jedoch die Kritik aus der Branche. Steigende Kosten, Doppelspurigkeiten in der Aufsicht und fehlende Mitspracherechte der Beaufsichtigten wecken Zweifel, ob das zweistufige System im Interesse der Vermögensverwalter – und ihrer Kunden – ist. Eine aktuelle Umfrage von Initiative Patrimoniale Suisse (InPaSu) unter unabhängigen Vermögensverwaltern zeichnet ein klares Bild: Die Mehrheit empfindet die heutige Struktur als ineffizient, unverhältnismässig und unfair. In diesem Beitrag werden Entstehung und Ziele des zweistufigen Systems beleuchtet, die Vor- und Nachteile transparent dargestellt und die Frage erörtert, ob eine Direktaufsicht durch die FINMA nicht eine effizientere und kostengünstigere Lösung darstellen könnte.
Entstehung des zweistufigen Systems und seine Ausgestaltung
Hintergrund: Von der Selbstregulierung zur Beaufsichtigung
Vor Inkrafttreten des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) im Jahr 2020 waren unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz – anders als Banken oder Fondsleitungen – keiner prudenziellen Aufsicht unterstellt. Sie benötigten lediglich einen Anschluss an eine Selbstregulierungsorganisation (SRO) gemäss Geldwäschereigesetz, welche die Einhaltung der Geldwäschereipflichten überwachte. Dieses Ungleichgewicht gegenüber den streng beaufsichtigten Wettbewerbern (etwa Banken) sollte mit FINIG beseitigt werden. Zudem entstand durch EU-Regulierungen (Stichwort MiFID II) internationaler Druck, unabhängige Vermögensverwalter einem gleichwertigen Aufsichtsstandard zu unterwerfen, um Marktzugangshürden abzubauen. Der Schweizer Gesetzgeber entschied sich folglich, alle Vermögensverwalter einer Bewilligungs- und Überwachungspflicht zu unterstellen.
Architektur des FINIG-Aufsichtsmodells
Anstatt jedoch sämtliche rund 2000 unabhängigen Vermögensverwalter direkt durch die FINMA beaufsichtigen zu lassen, wählte man eine hybride Lösung: Die FINMA erteilt die Bewilligung und bleibt oberste Aufsichtsbehörde, während die laufende Aufsicht an private, von der Branche getragene AOs delegiert wird. Diese AOs benötigen ihrerseits eine Bewilligung der FINMA und werden von ihr überwacht. Wichtig ist: AOs sind keine Staatsbehörden; hoheitliche Eingriffe (Enforcement bei Missständen) bleiben der FINMA vorbehalten. Die AOs prüfen aber, ob die angeschlossenen Vermögensverwalter die einschlägigen Pflichten aus FINIG, Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und GwG erfüllen. Zudem können AOs weiterhin als SRO die GwG-Aufsicht über Finanzintermediäre ohne FINMA-Bewilligung ausüben – ein Brückenschlag zum früheren System. Diese Konstruktion war auch eine Konzession an bestehende Strukturen: Mehrere GwG-SRO, die bisher Vermögensverwalter im Bereich Geldwäscherei beaufsichtigt hatten, bewarben sich um den Status als AO, um im neuen Aufsichtssystem eine Rolle zu spielen. Die FINMA bewilligte im Juli 2020 zunächst zwei AOs (OSIF in Genf und OSFIN in Neuchâtel); bis Ende 2020 stieg die Zahl der zugelassenen AOs jedoch auf fünf. Heute existieren folgende fünf AOs: AOOS (Zürich), FINcontrol (Zug), OSIF (Genf), OSFIN (Neuchâtel) und SO-FIT (Genf). Jeder bewilligte Vermögensverwalter musste bis Ende 2022 einer dieser AOs beitreten. Parallel dazu liess man auch mehrere Beraterregister nach FIDLEG zu (z.B. BX Swiss AG als erste Registrierungsstelle) und anerkannte zahlreiche Ombudsstellen im Finanzbereich (derzeit 8 Stück).
Keine Beschränkung der AO-Anzahl: Bemerkenswert ist, dass das Gesetz bei AOs – anders als etwa bei den Registrierungsstellen oder Prospektprüfstellen – keine zahlenmässige Begrenzung oder Bedarfsvoraussetzung formulierte. Während Art. 31 FIDLEG der FINMA explizit erlaubt, mehrere Berater-Registrierungsstellen nur „soweit sachlich gerechtfertigt“ zuzulassen, und Ähnliches für Prospektprüfstellen gilt, fehlt ein solcher Passus im FINIG für die Aufsichtsorganisationen. Somit war der Weg frei für die Zulassung aller Bewerber, die die formellen Anforderungen erfüllten. Kritiker monieren, dass hier bewusst ein „Pseudowettbewerb“ geschaffen wurde, der weniger dem Anlegerschutz als den Geschäftsinteressen der ehemaligen SRO diente. Anders ausgedrückt: Anstatt eine einzige, schlagkräftige Aufsichtseinheit für UVV zu etablieren, habe man ein föderalistisches Modell mit fünf AOs gewählt – mit entsprechenden Inkonsistenzen und Reibungsverlusten.
Kritikpunkte: Ineffizienzen, Kostenlast und fehlende Rechtsmittel
Fünf AOs, drei Beraterregister, zwei Prospektprüfstellen, neun Ombudsstellen – diese fragmentierte Aufsichtslandschaft für eine relativ kleine Branche erscheint vielen Beteiligten unnötig komplex und teuer. Tatsächlich zeigen sich nach knapp drei Jahren Praxis deutliche Mängel im zweistufigen System. Die wichtigsten Kritikpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Doppelte Prüfungen und ineffiziente Prozesse
Obwohl das Gesetz explizit anstrebt, Doppelspurigkeiten zwischen FINMA und AOs zu vermeiden (vgl. Art. 24 Abs. 2 FINMAG), erleben die Vermögensverwalter in der Praxis genau das: alle prüfen alles doppelt. Ein Beispiel sind meldepflichtige Änderungen (Änderungen bei Inhabern, Geschäftsleitung, Adresse etc.):
- Vorprüfung durch die AO: Jede Änderung muss zunächst via elektronische Plattform (EHP) bei der AO eingereicht werden. Die zuständige AO prüft den Vorgang detailliert auf Vollständigkeit, rechtliche Konformität und allfällige Risiken (z.B. bei neuen Teilhabern: Referenzen, Betreibungs- und Strafregisterauszüge, Interessenkonflikte etc.). Erst wenn die AO überzeugt ist, dass alles in Ordnung ist, leitet sie das Dossier an die FINMA weiter.
- Nachprüfung durch die FINMA: Trotz dieser umfassenden Vorarbeit prüft die FINMA jeden Fall nochmals von Grund auf – „in voller Tiefe“, wie zahlreiche Vermögensverwalter uns mitgeteilt haben. Selbst bei trivialen Änderungen wie einer Adresskorrektur werden die Unterlagen erneut geprüft und in der Regel mindestens 500 CHF Gebühr in Rechnung gestellt. Der im Gebührenreglement vorgesehene Mindestansatz von 200 CHF kommt faktisch nie zur Anwendung.
Diese doppelte Prüfungsroutine wird von den Vermögensverwaltern als überflüssig und kostentreibend kritisiert. Die Teilnehmer der InPaSu-Umfrage bewerten den Grad der Doppelspurigkeit im Schnitt mit 7.5 von 10 Punkten (0 = keine Doppelungen, 10 = alles wird doppelt geprüft – ein deutliches Zeichen des Unmuts. InPaSu wirft zugespitzt die Frage auf, „welche Rolle die AO überhaupt spielt, wenn ihre Beurteilung von der FINMA systematisch ignoriert wird“. Tatsache ist: Die AO erledigt in über 90% der Fälle die eigentliche Detailarbeit, während die FINMA dann nochmals prüft und Gebühren nach undurchsichtigen Stundensätzen draufschlägt. Damit untergräbt die FINMA nach Einschätzung betroffener Vermögensverwalter „die Existenzberechtigung der Aufsichtsorganisationen“ und verletzt das Äquivalenzprinzip (Verhältnismässigkeit von Gebühr und Aufwand).
Anstatt durch die Delegation an AOs effizienter zu werden, erzeugt das System so Mehrarbeit und Mehrkosten – ohne erkennbare Mehrleistung. InPaSu stellt klar: „Entweder wird die Rolle der AO ernst genommen – mit Vertrauen, Effizienz und Kostensenkung – oder die FINMA muss die Aufsicht wieder direkt übernehmen. Ein hybrides System, in dem beide Instanzen alles prüfen, ist teuer, ineffizient und widerspricht dem Geist der Gesetzgebung.“ Dieses deutliche Fazit unterstreicht, wie kritisch die aktuelle Praxis gesehen wird.
2. Hohe Kostenbelastung und fehlende Fairness
Das zweistufige System bringt zusätzliche Akteure ins Spiel – und damit zusätzliche Kosten. Besonders die FINMA-Gebühren und -Abgaben im Zusammenhang mit der AO-Aufsicht stehen am Pranger. Seit Einführung des FINIG müssen unabhängige Vermögensverwalter nicht nur individuelle Gebühren tragen (für Bewilligungen, Änderungsanzeigen, Verfahren etc.), sondern auch eine kollektive Aufsichtsabgabe zur Deckung der FINMA-Oberaufsicht über die AOs. Diese Abgabe wird von der FINMA pauschal pro Institut den AOs in Rechnung gestellt und von diesen gleichmässig auf die angeschlossenen Vermögensverwalter überwälzt. Betriebsgrösse, Komplexität oder tatsächlicher Aufsichtsaufwand spielen dabei keine Rolle – jeder zahlt den gleichen Betrag.
Die Folgen dieser Verteilungspraxis sind einschneidend: Kleine Vermögensverwalter (mit Jahresumsatz < 2 Mio. CHF, das sind ~80% der Branche) werden überproportional belastet, während grössere Anbieter relativ geschont werden. Laut InPaSu-Umfrage bewerten die Teilnehmer die Fairness der Gebührenstruktur mit alarmierenden 9.4 von 10 Punkten auf einer Skala, bei der 10 „klar benachteiligend“ bedeutet. Anders gesagt: Fast alle empfinden die aktuelle Kostenverteilung als unfair.
Tatsächlich sind die Zahlen eindrücklich: 2022 betrug der Betrag der FINMA-Aufsichtsabgabe, den die Behörde mangels direkter Zurechenbarkeit pauschal auf die UVV abwälzte, CHF 1.86 Mio.; 2024 schnellte dieser Wert auf CHF 9.25 Mio. hoch. Das entspricht über 75% der gesamten FINMA-Kosten im Aufsichtsbereich der UVV. Mit anderen Worten: Drei Viertel der Kosten, welche FINMA in diesem Sektor verbucht, können keinem einzelnen Institut zugeordnet werden und werden deshalb als Kollektivabgabe gleichmässig verteilt – nach dem Motto „alle zahlen gleich viel“, ob Mini-Boutique oder Multi-Milliarden-Verwalter. Im Jahr 2025 wurden wiederum pauschal über CHF 7'000 pro Institut in Rechnung gestellt (inkl. MwSt). Dieser Betrag hat sich damit gegenüber der Anfangsphase vervielfacht und sorgt erneut für grossen Unmut in der Branche.
Besonders stossend ist, dass den betroffenen Vermögensverwaltern jede rechtliche Handhabe fehlt, gegen diese Kostenauflage vorzugehen. Rechnungsempfänger der FINMA ist jeweils die AO, nicht das einzelne Institut – letzteres hat daher „keinerlei rechtliche Möglichkeit, sich gegen die Höhe oder Zusammensetzung dieser Abgaben zu wehren“. Weder Einsprache noch Beschwerde stehen den Unterstellten offen, was rechtsstaatlich Fragen nach der Verfassungskonformität dieser Praxis aufwirft. InPaSu und viele Mitglieder empfinden diese Konstellation als höchst problematisch: Die FINMA hält sich strikt an Gesetz und Gebührenverordnung, die AOs begleichen die Rechnung widerspruchslos und wälzen sie ab – aber niemand vertritt die Interessen der zahlenden Vermögensverwalter wirksam in diesem Prozess.
3. Fragmentierung: Fünf AOs, neun Ombudsstellen – proportional?
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Struktur an sich. Die InPaSu-Umfrage fragte, wie die Befragten die Verhältnismässigkeit der Aufsplittung in derzeit 5 AOs und 9 Ombudsstellen einschätzen. Ergebnis: Die Existenz von fünf verschiedenen AOs für knapp 1’500 Vermögensverwalter wird als „unpraktikabel, teuer und systemfremd“ beurteilt. Die durchschnittliche Bewertung lag bei 6.2 von 10 (wobei 10 für „völlig unverhältnismässig“ steht). Noch deutlicher war das Verdikt zu den neun Ombudsstellen: Hier gab es fast einhellige Ablehnung (Ø 9,3/10). Die Kritik zielt darauf ab, dass eine so kleinteilige Aufsichtsinfrastruktur unnötige Parallelkosten erzeugt. Jede AO benötigt einen eigenen Verwaltungsapparat, eigene IT-Systeme, eigene Prüfkonzepte etc. – letztlich bezahlen die Vermögensverwalter also fünfmal ähnliche Strukturen mit. Von Economies of Scale keine Spur. Auch die Uneinheitlichkeit wird bemängelt: Unterschiedliche AOs könnten unterschiedlich strenge Massstäbe oder Prozesse haben; in jedem Fall müssen sich die Institute in ihren Abläufen an die jeweilige AO halten und zusätzlich an die FINMA-Vorgaben, was die Komplexität erhöht. InPaSu spricht von „Mehrfachkontrollen“ und einem insgesamt systemisch schwachen Modell, das weder im öffentlichen Interesse liege noch zielführend sei.
Zudem sind die AOs untereinander offenbar nicht geeint: Statt mit einer Stimme gegenüber FINMA aufzutreten, herrscht Konkurrenzdenken. So ist keine AO bekannt, die bereit wäre, die FINMA-Rechnung juristisch anzufechten – obwohl sie dazu befugt wären. Warum auch? Jede AO kann die Kosten einfach weiterreichen und hätte allenfalls Nachteil, wenn sie sich querstellt. Grosse AOs mit vielen finanzstarken Mitgliedern profitieren sogar vom Pauschalverteilschlüssel, da ihre grossen Mitglieder unterproportional günstig wegkommen. Keiner dieser privaten Aufseher hat also einen Anreiz, von sich aus eine gerechtere Kostenverteilung einzuführen oder die Missstände laut zu kritisieren – im Gegenteil, man könnte das eigene Geschäftsmodell gefährden. Dieses Auseinanderfallen der Interessen wird von engagierten Vermögensverwaltern scharf beobachtet: Obwohl die AOs letztlich von den Gebühren ihrer Unterstellten leben, scheuen sie eine offene Unterstützung der InPaSu-Forderungen (nach mehr Transparenz und fairer Lastenverteilung). Dadurch entsteht der Eindruck, die AOs seien Teil des Problems, nicht der Lösung. Die Interessen der unabhängigen Vermögensverwalter – insbesondere der kleineren – fänden in den bestehenden Strukturen (AOs und etablierten Verbänden) keine wirksame Vertretung. Dies war einer der Beweggründe für die Gründung von InPaSu als unabhängige Stimme der UVV.
4. Nutzen und Mehrwert der AOs – Fehlanzeige?
Ursprünglich hoffte man, dass private Aufsichtsorganisationen näher an der Praxis sind und den Instituten mehr als nur Kontrolle bieten könnten – z.B. Beratung, Unterstützung bei der Compliance, vielleicht sogar Interessenvertretung gegenüber Regulator und Politik. Die Realität hat diese Erwartung bisher kaum erfüllt. Die Umfrage ergab, dass die meisten Vermögensverwalter keinen erkennbaren Mehrwert in der AO sehen: Auf die Frage „Rolle und Nutzen der AO“ wurde im Schnitt 8.7/10 Punkten vergeben, wobei 10 für „keinerlei Nutzen erkennbar“ steht. Mit anderen Worten: Die AO wird primär als zusätzlicher Kostenfaktor wahrgenommen, welche Pflichten auferlegt, aber wenig zurückgibt. Insbesondere kleine Institute monieren fehlende Transparenz seitens der AOs und zweifeln an deren Unabhängigkeit von der FINMA – man fühlt sich also letztlich doch der grossen Behörde ausgeliefert, nur mit einem weiteren Kostenglied dazwischen.
Ein Teilnehmer der Umfrage fasst die Stimmung so zusammen: „Die FINMA will überall die Kontrolle bewahren; die Doppelspurigkeit mit den AOs kostet zu viel. […] Im Gesetzesrahmen soll eine Kontrolldienstleistung angeboten werden, die grossenteils standardisiert ist. Entsprechend müsste der Wettbewerb [zwischen den AOs] nur über den Preis laufen. Der Preismechanismus kann hier aber nicht spielen, da verordnet wird, dass es FINMA, AOs und Revisoren geben muss und dass diese auch ihre Ineffizienz verrechnen dürfen.“ Diese Aussage bringt einiges auf den Punkt: Im beaufsichtigten Bereich herrscht kein echter Markt, der zu Effizienz führen könnte – die Kosten der Aufsicht werden letztlich immer an die Unterstellten weitergegeben, ob mit oder ohne AO.
5. Kaum spürbarer Gewinn an Anlegerschutz
Last but not least steht die Grundsatzfrage im Raum: Hat die neue, aufwändige Aufsichtsarchitektur den angestrebten Schutz der Anleger tatsächlich verbessert? Aus Sicht der meisten unabhängigen Vermögensverwalter lautet die Antwort: nein. In der Umfrage wurde gefragt, ob das neue Aufsichtssystem den Kundenschutz spürbar verbessert oder „reine Bürokratie“ sei – das Ergebnis war ein Durchschnittswert von 9.0/10 (wobei 10 = „reine Bürokratie“). Bemerkenswerterweise äusserten sich grössere Institute noch kritischer (Ø 9.31) als kleine (Ø 9.04). Selbst Vermögensverwalter mit mehr Ressourcen sehen also mehr zusätzlichen Papierkram als echten Mehrwert. Für die überwiegende Mehrheit der Befragten ist klar: „Die neuen regulatorischen Massnahmen bewirken kaum mehr Anlegerschutz, dafür spürbar mehr Aufwand und eine strukturelle Benachteiligung der kleinen Anbieter.“ Dieses vernichtende Urteil sollte Politik und Regulator alarmieren.
Politische Reaktionen: Erste Schritte zur Problemlösung
Die genannten Probleme sind mittlerweile so offenkundig, dass sie politisch Gehör finden. Am 20. Juni 2025 hat Nationalrat Benjamin Fischer (SVP) im Parlament eine Interpellation zur FINMA-Gebührenstruktur eingereicht, um die stetig steigende Kostenbelastung der unabhängigen Vermögensverwalter zu hinterfragen. In diesem Vorstoss werden kritische Fragen zur Systematik, Transparenz und Rechtsgrundlage der heutigen Praxis gestellt. Es geht u.a. darum, ob die Kostenverteilung verfassungskonform ist und wie eine fairere, verursachergerechte Lösung aussehen könnte. Diese Initiative – direkt angestossen durch die Arbeit von InPaSu – wird als „wichtiges Signal“ gewertet, dass sich etwas bewegt. Auch der eidgenössische Preisüberwacher hatte bereits in einer Vernehmlassung 2022 die FINMA-Gebühren kritisiert und mehr Transparenz sowie einen nachvollziehbaren Gebührenmassstab gefordert. Insbesondere bemängelte er die hohen Stundensätze der FINMA (bis 500 CHF) ohne genügende Begründung, mögliche Quersubventionierungen zwischen kleinen und grossen Instituten sowie generell fehlende Kostentransparenz. Diese Kritikpunkte decken sich mit den Anliegen der Vermögensverwalter und verleihen deren Forderungen zusätzliches Gewicht.
Inzwischen räumt auch der Branchenverband VSV-ASG ein, dass die FINMA-Aufsichtsabgabe „massiv“ gestiegen ist – relativiert diese Tatsache aber gleichzeitig gegenüber seinen Mitgliedern und stellt sie faktisch als gegeben hin. InPaSu hat diese Haltung öffentlich kritisiert, da sie aus Sicht der Mehrheit der unabhängigen Verwalter das Problem schönt und einem echten lösungsorientierten Auftritt der Branche entgegensteht. Hier zeigt sich ein Spannungsfeld: Einige etablierte Organe scheinen eher zur Verteidigung des Status quo zu neigen, während eine neue Generation von Branchenvertretern (wie InPaSu) das System fundamental hinterfragt.
Pro-Stimmen für das zweistufige System: Welche Vorteile sehen Befürworter?
Angesichts der umfangreichen Kritik stellt sich die Frage, ob es auch Argumente zugunsten des aktuellen dualen Modells gibt. Tatsächlich führen Befürworter des zweistufigen Systems einige Punkte ins Feld, die nicht unbeachtet bleiben sollten:
1. Kundennähe und Servicequalität:
Da AOs keine Behörden, sondern privatrechtliche Unternehmen bzw. Vereinsstrukturen sind, unterliegen sie einem gewissen Wettbewerb um Mitglieder. Diese marktwirtschaftlichen Elemente im Aufsichtssystem können – zumindest theoretisch – zu besseren Dienstleistungen führen. So wird berichtet, dass manche AOs einen freundlicheren und pragmatischeren Umgang mit den ihnen unterstellten Vermögensverwaltern pflegen als man es von einer staatlichen Behörde erwarten würde. Ein persönlicher Ansprechpartner, der die Bedürfnisse kleiner Firmen versteht könnte ein Mehrwert darstellen. In der Tat gab es in der Anfangszeit Stimmen, die das frühere SRO-Modell (Selbstregulierung) als erfolgreich und „kundenfreundlich“ einstuften – diese Qualität wollte man mit den AOs bewahren. Der Umstand, dass viele Vermögensverwalter freiwillig Mitglied in Branchenverbänden mit Standesregeln waren, zeigte ja den Wunsch nach einer gewissen Selbstregulierung. Kurze Wege, persönliche Betreuung und weniger Bürokratensprache – damit punktet eine gute AO gegenüber der fernen Bundesbehörde in Bern.
2. Spezialisierung und Expertise:
AOs fokussieren sich ausschliesslich auf Vermögensverwalter und Trustees. Sie können daher spezifische Expertise in diesem Bereich aufbauen und gezielt Prüfer mit entsprechendem Know-how einsetzen. FINMA-Prüfer hingegen überwachen vom Grossbankensektor bis zu kleinen Stiftungsaufsichten ein breites Spektrum; Kritiker befürchten, dass bei einer Vollintegration der UVV-Aufsicht in die FINMA die Besonderheiten und Bedürfnisse der unabhängigen Vermögensverwalter untergehen könnten. Gerade für kleine Unternehmen ist es wichtig, dass Aufseher die Proportionen wahren und praxisgerechte Anforderungen stellen. Einige sehen hier die AOs im Vorteil, da sie tendenziell KMU-freundlicher agieren und z.B. eher auf Beratung als auf Sanktion setzen (zumindest war dies eine Hoffnung).
3. Wettbewerb als Kostenbremse:
Auch wenn die Umfrageergebnisse nahelegen, dass der Wettbewerb zwischen den AOs bislang kaum zu greifbar tieferen Kosten geführt hat, argumentieren Befürworter, dass zumindest ein gewisser Konkurrenzdruck vorhanden ist. Keine AO könne sich erlauben, viel höhere Mitgliederbeiträge zu verlangen als die anderen – dies sorge indirekt für Preisdruck nach unten und Effizienzgewinne. Bei einer Monopolstellung der FINMA bestünde die Gefahr, dass die Kostenkontrolle noch schwieriger würde, da die FINMA als staatlicher Monopolist keinem Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Skepsis gegenüber einer „Vollverstaatlichung“ der Aufsicht speist sich also aus der Befürchtung, ohne AOs gebe es gar keine Checks and Balances mehr bei den Aufsichtskosten. Historisch ist bekannt, dass staatliche Stellen dazu neigen können, ihren Aufgaben- und Personalumfang stetig auszudehnen (bureaucratic expansion). Ein dezentrales Modell mit privaten Aufsehern setze dem gewisse Grenzen, so die Argumentation.
4. Entlastung der FINMA und Fokussierung:
Als das FINIG konzipiert wurde, war ein praktischer Gesichtspunkt, dass die FINMA – ohnehin zuständig für Banken, Versicherer, Fonds, Börsen etc. – nicht personell und organisatorisch darauf eingerichtet war, plötzlich tausende Kleinvermögensverwalter direkt zu betreuen. Die Einbindung der AOs sollte der FINMA ermöglichen, sich auf die übergeordneten Prozesse und auf Risikofälle zu konzentrieren. Die AOs übernehmen die jährlichen Routineprüfungen, die wiederum meist durch externe Revisionsgesellschaften (Auditoren) durchgeführt werden. Das heisst, faktisch wird die Grundprüfung der Institute outgesourct – ein Modell, das im Übrigen auch bei Banken in gewissem Umfang angewandt wird (Bankenaufsicht durch zugelassene Prüfgesellschaften). Synergie mit Revisionsfirmen: Weil sowohl nach dem AO-Modell als auch bei FINMA-Direktaufsicht in der Praxis Wirtschaftsprüfer die Vor-Ort-Prüfungen erledigen, argumentieren manche, der Unterschied sei gar nicht so gross. AOs können die Berichte der Prüfer aber vielleicht effizienter konsolidieren und auswerten, während die FINMA mit der Masse der Prüfberichte kleiner Institute überfordert wäre. Kurz: AOs dienen als Filter und Puffer, um die FINMA von Kleinstfällen zu entlasten. Wenn dieser Mechanismus rund liefe, würden Doppelspurigkeiten vermieden und die FINMA würde nur bei Eskalationsfällen einschreiten. Dass dies momentan nicht optimal funktioniert, liegt – so könnte man pro AO argumentieren – eher an justierbaren Umsetzungsmängeln als am Konzept an sich.
5. Verbesserungsmöglichkeiten im bestehenden System: Einige Experten und Praktiker plädieren dafür, erst die offensichtlichen Mängel im bestehenden System zu beheben, statt es gleich über Bord zu werfen. Zwei Forderungen stehen hierbei im Vordergrund:
(a) Die Verteilschlüssel für FINMA-Kosten müssten angepasst werden – weg vom starren Pro-Kopf-Ansatz hin zu einer grössenabhängigen Umlage, wie sie in anderen FINMA-Aufsichtsbereichen üblich ist (bei Banken und Versicherern richten sich die Gebühren z.B. nach Bilanzsumme, Prämienvolumen o.ä.). So würden kleinere Institute sofort entlastet, ohne dass die FINMA weniger Einnahmen hätte – lediglich die Grossen müssten mehr tragen, was angesichts ihrer Gefährdungspotentiale sachlich gerechtfertigt wäre.
(b) Die Doppelspurigkeiten zwischen FINMA und AO müssen eliminiert werden. Die FINMA sollte ihrer eigenen Delegation Vertrauen schenken und nicht jeden Vorgang erneut komplett prüfen, solange die AO ihre Arbeit ordentlich macht. Wenn diese beiden Schrauben gedreht würden, so die Befürworter, könnte das Zweistufensystem deutlich effizienter und akzeptabler werden – ohne dass man den grossen Wurf einer Gesetzesrevision wagen muss. Dieser pragmatische Ansatz betont, dass Reformen im bestehenden Rahmen eher Erfolg haben könnten als die langwierige Neuaufrollung des FINIG.
Zusammengefasst zeigen die Pro-Stimmen, dass das zweistufige Modell durchaus potenzielle Vorteile bietet – zumindest in der Theorie. Viele dieser Vorteile (Wettbewerb, Kundennähe, Spezialisierung) haben sich in der Praxis bislang nur begrenzt realisiert, doch Befürworter sehen die Schuld eher in fehlerhaften Ausführungsdetails als im System selbst. Sie warnen davor, in der berechtigten Kritik an Missständen „das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Eine Direktunterstellung aller Vermögensverwalter unter die FINMA wäre ihrer Ansicht nach kein Allheilmittel und könnte neue Probleme schaffen, wenn nicht gleichzeitig strenge Vorkehrungen für Kostenkontrolle und Verhältnismässigkeit getroffen würden. Diese Perspektive verdient Beachtung, denn sie mahnt an, dass staatliche Aufsicht nicht automatisch effizienter oder billiger ist – es hängt am Wie. Beispielsweise müsste, falls die FINMA alles übernimmt, dringend gewährleistet sein, dass KMU-Aspekte berücksichtigt und die Aufsicht pragmatisch skaliert wird, damit nicht bankähnliche Auflagen für kleine Verwalter gelten.
Direktaufsicht durch die FINMA: Könnte sie eine bessere Lösung sein?
Trotz der genannten Einwände richtet sich der Blick vieler unabhängiger Vermögensverwalter zunehmend auf eine Option, die bis vor kurzem kaum laut ausgesprochen wurde: die vollständige Direktaufsicht durch die FINMA, ohne zwischengeschaltete AOs. Angesichts der Erfahrungen seit 2020 stellt sich die Frage, ob ein einheitliches Single-Regulator-Modell nicht doch effizienter und kostengünstiger wäre. Was spricht dafür – und was dagegen? Pro-Argumente für eine Direktunterstellung:
1. Abbau von Doppelspurigkeiten: Der offensichtlichste Vorteil wäre, dass das mühselige Hin und Her zwischen AO und FINMA entfiele. Wenn die FINMA allein zuständig ist, gibt es keine zweistufigen Prozesse mehr – jede Meldung, jeder Bewilligungsantrag wird direkt von der FINMA (bzw. ihrem Prüfbeauftragten) behandelt. Das Eliminieren der Parallelprüfungen würde Zeit und Geld sparen und die Abläufe straffen. In der jetzigen Situation prüft die AO erst, dann die FINMA erneut – würde die FINMA von Anfang an selber (bzw. via anerkannte Revisionsunternehmen) prüfen, könnte man auf die doppelte Arbeit verzichten. Auch die Kommunikationsbrüche – heute muss ein Institut oft über die AO mit der FINMA kommunizieren – würden reduziert. Insgesamt wäre mehr Klarheit darüber, wer wofür zuständig ist.
2. Einheitlichkeit und Konsistenz: Ein einziger Aufseher garantiert einheitliche Massstäbe. Derzeit könnte – zumindest theoretisch – ein Sachverhalt von AO A anders beurteilt werden als von AO B, was Wettbewerbsverzerrungen schafft. Mit einer zentralen FINMA-Aufsicht würden alle Vermögensverwalter nach denselben Richtlinien geprüft und behandelt. Die FINMA würde direkt die Prüfvorgaben erstellen (was sie im AO-System zwar auch tut, aber dann den AOs zur Umsetzung überlässt) und die Ergebnisse auswerten. Intransparenzen in der Kostenverteilung oder Aufsichtspraxis zwischen verschiedenen AOs würden wegfallen – der „Flaschenhals FINMA“ wäre auch die einzige Rechnungsausstellerin, sodass zumindest klar wäre, wofür man zahlt.
4. Kostenersparnis durch Wegfall der Zwischeninstanz: Die Aufsichtsorganisationen müssen finanziert werden – am Ende des Tages durch die Beiträge der Unterstellten. Diese Beiträge decken die AO-eigenen Betriebskosten plus die von der FINMA überwälzten Gebühren. Wären die AOs nicht da, entfielen deren Betriebs- und Gewinnkosten. Synergien könnten genutzt werden, indem die FINMA ihren bestehenden Aufsichtsapparat erweitert. Sie verfügt bereits über Infrastruktur und Personal für die Aufsicht anderer Finanzinstitute – die Einbeziehung der UVV könnte eine Skaleneffekte ermöglichen. So stellt sich z.B. die Frage, wie die FINMA für die Aufsicht von bloss fünf AOs Ausgaben von über 9.2 Mio. CHF rechtfertigt. Würde sie stattdessen direkt 1500 Vermögensverwalter in ihr Aufsichtssystem integrieren, könnten diese Ressourcen gezielter und eventuell sparsamer eingesetzt werden. Einige Experten spekulieren, dass direkte FINMA-Aufsicht pro Institut günstiger käme als der aktuelle Umweg (unter der Annahme, dass FINMA die Prozesse effizient gestaltet). Schliesslich überwacht die FINMA auch zahlreiche kleine Institute (z.B. kleine Versicherer, direkt unterstellte Finanzintermediäre in anderen Bereichen) und kennt das Handling unterschiedlicher Grössenklassen. Denkbar wäre, analog zum Bankensektor, eine Kategorisierung der Vermögensverwalter nach Risikoprofil, wobei kleine Institute in eine tiefere Aufsichtskategorie mit entsprechend schlanken Anforderungen fallen. Die FINMA hätte dann – statt fünf AOs – eben eine interne Abteilung „Vermögensverwalteraufsicht“ mit risikobasierter Prüfplanung.
5. Stärkere Rechtsstellung der Beaufsichtigten: Würde die FINMA direkt agieren, wären die Vermögensverwalter unmittelbar Gegenparteien der Behörde. Das heisst, Verfahrensrechte und Rechtsmittel würden greifen. Gegen jeden Gebührenbescheid der FINMA könnten die Institute nötigenfalls Einsprache und Beschwerde führen. Derzeit ist das – wie erwähnt – nicht möglich, da die Rechnung an die AO geht. Auch könnten die Vermögensverwalter über Konsultationen oder Anhörungen direkt mit der FINMA interagieren, anstatt ihre Anliegen umständlich über den Umweg der AOs einreichen zu müssen. Kurz: Die Transparenz würde steigen und die FINMA direkt für ihr Aufsichtshandeln gegenüber den Betroffenen Verantwortung tragen müssen. Die Branche (und Verbände wie InPaSu) könnte den Dialog mit der FINMA ohne Zwischenschicht führen, was klarere Verhältnisse schaffen würde. Schon heute zeigt sich, dass die FINMA zumindest sensibel auf politische Signale reagiert – sollte politisch eine effizientere Lösung gefordert werden, wäre die FINMA wohl bereit, das Modell zu überdenken. Sie hat jedenfalls (im Gegensatz zu den AOs) keine geschäftlichen Eigeninteressen am Status quo, sondern könnte sogar entlastet werden, wenn z.B. die Anzahl der Aufsichtsorgane verringert oder Prozesse vereinfacht würden.
6. Wegfall von Interessenkonflikten und Koordinationsproblemen: Im jetzigen Modell muss die FINMA die AOs beaufsichtigen und gleichzeitig mit ihnen zusammenarbeiten; die AOs stehen in Konkurrenz zueinander und dennoch sollen sie ihre Praxis koordinieren (ähnlich wie bei den Beraterregistern vorgeschrieben). Diese Konstruktion ist komplex. Direktaufsicht würde solche Koordinationsprobleme beseitigen – eine Behörde, ein Regelwerk, eine Aufsicht. Auch die von InPaSu kritisierte „Zersplitterung“ der Branche in verschiedene AOs, die teils zerstritten sind, würde enden. Die Vermögensverwalter wären dann einheitlich unter dem FINMA-Dach und könnten geschlossen ihre Anliegen vorbringen, ohne dass Verbände oder AOs sich gegenseitig die Schuld zuschieben.
Natürlich gibt es auch Kontra-Argumente und Herausforderungen, die eine Direktunterstellung mit sich brächte:
1. Gesetzliche Anpassungen:
Derzeit sieht das FINIG zwingend vor, dass UVV einer AO unterstehen (sofern AOs existieren). Um auf FINMA-Direktaufsicht umzustellen, bräuchte es eine Gesetzesänderung oder zumindest neue Verordnungsgrundlagen. Das ist politisch und zeitlich kein leichtes Unterfangen. Alternativ könnte theoretisch eine Situation eintreten, in der keine AO mehr existiert – dann greift Art. 61 Abs. 4 FINIG, der für diesen Fall eine Direktaufsicht durch die FINMA vorsieht. Doch dass alle fünf AOs freiwillig das Handtuch werfen, ist kaum realistisch; es bedürfte also eines politischen Entscheids, das System zu ändern.
2. Übergangsaufwand: Ein Wechsel zu FINMA-Direktaufsicht wäre mit Übergangskosten verbunden. Personal der AOs müsste ggf. bei der FINMA integriert oder deren Aufgaben an Revisionsfirmen übertragen werden. IT-Systeme müssten angepasst, alle Institute einzeln von der FINMA betreut werden – zumindest was die Datenverwaltung, Meldungen etc. angeht. Kurzfristig könnte das zu Reibungsverlusten führen. Die Frage ist, ob die FINMA kurzfristig die Kapazitäten hätte, die Arbeit von fünf AOs zu übernehmen, ohne dass die Aufsicht leidet. Man darf aber nicht vergessen, dass die FINMA heute schon doppelt kontrolliert – sie ist also inhaltlich im Bilde, was in den einzelnen Dossiers vorgeht (nur der formale Erstkontakt läuft über die AOs). Zudem hat sie – wie die stark gestiegenen Kosten zeigen – bereits erhebliches Personal für die AO-Oberaufsicht aufgewendet. Man könnte argumentieren, dass dieses Personal statt die AOs zu überprüfen, ebenso gut direkt die Vermögensverwalter begleiten könnte.
3. Skepsis gegenüber der FINMA-Bürokratie:
Viele kleine Institute stehen einer zentralen Staatsaufsicht mit gemischten Gefühlen gegenüber. Die FINMA galt lange als eher bankenorientiert und weniger vertraut mit den Bedürfnissen von kleineren Finanzdienstleistern. Es besteht die Befürchtung, dass ohne AOs als Puffer die Regulatorik noch rigider umgesetzt werden könnte. Beispielsweise sind FINMA-Rundschreiben oft sehr detailliert und gehen in der Praxis über gesetzliche Vorgaben hinaus – dies wird bereits heute kritisiert („FINMA-Rundschreiben werden zur faktischen Norm“). Hier müsste gewährleistet sein, dass die FINMA für den Bereich UVV einen proportionalen Ansatz wählt und idealerweise den Dialog mit Branchenvertretern sucht, um praktikable Lösungen zu finden. Positiv ist allerdings zu vermerken, dass mit dem neuen Unternehmensentlastungsgesetz (UEG), in Kraft seit Oktober 2024, politisch der Druck steigt, KMU nicht übermässig zu belasten. Die FINMA wäre also gut beraten, bei einer Direktaufsicht genau auf die Verhältnismässigkeit ihrer Anforderungen zu achten – was letztlich allen zugutekäme.
4. Widerstand etablierter Akteure: Es liegt auf der Hand, dass die bestehenden AOs kein Interesse an ihrer eigenen Abschaffung haben. Sie würden ihren Existenzzweck verlieren. Man kann davon ausgehen, dass sie (und eventuell gewisse Branchenorganisationen, die in ihren Gremien vertreten sind) Lobbying gegen eine Direktaufsicht betreiben könnten. Ihre Argumente würden vermutlich die oben genannten Punkte sein: Verlust von Kundennähe, drohende Staatsbürokratie, fehlender Wettbewerb. Der Gesetzgeber müsste diese Positionen sorgfältig abwägen. Letztlich ist entscheidend, was im öffentlichen Interesse und im Interesse eines funktionierenden Finanzmarkts ist. Wenn sich das zweistufige Modell als ineffizient und teuer erwiesen hat, könnte der politische Wille zur Änderung stärker sein als der Widerstand einzelner Partikularinteressen. Immerhin war, wie erwähnt, eine Direktaufsicht von Anfang an als Alternative im Gesetz vorgesehen (wenn auch nur als Auffanglösung) – es ist also keineswegs ein undenkbares Novum.
Fazit Zwischenstand:
Eine Direktunterstellung aller unabhängigen Vermögensverwalter unter die FINMA erscheint aus heutiger Sicht durchaus realistisch – allerdings eher mittel- bis langfristig. Kurzfristig dürften Korrekturen im bestehenden System wahrscheinlicher sein (siehe nächster Abschnitt). Dennoch: Die Tatsache, dass InPaSu am 7. Oktober 2024 zu einem Austausch mit der FINMA eingeladen ist – unter anderem, um genau diese Fragen zu erörtern – zeigt, dass das Thema auf dem Tisch liegt. Offiziell gibt sich die FINMA zwar zurückhaltend und liess verlauten, man könne zu hypothetischen Änderungen des Aufsichtsmodells keine Stellung nehmen (so die Auskunft in einem persönlichen Telefonat gegenüber InPaSu). Doch die Türen für Gespräche sind geöffnet. Sollte die Politik (Parlament, Bundesrat) zum Schluss kommen, dass eine Vereinfachung der Aufsichtsstruktur geboten ist, dürfte die FINMA dem nicht im Wege stehen – im Gegenteil, sie hat keine strategischen Gründe, an der Vielzahl privater AOs festzuhalten, sofern der Gesetzgeber einen effizienteren Weg weist. Die nächsten Monate und Jahre – mit der hängigen Interpellation und möglichen weiteren Vorstössen – werden zeigen, ob ein Systemwechsel auf die Agenda kommt.
Ausblick und Schlussfolgerungen
Die Einführung des zweistufigen Aufsichtssystems mit AOs und FINMA war ein Kompromiss, der aus Sicht des Gesetzgebers sowohl den Anlegerschutz verbessern als auch die Marktnähe der Aufsicht wahren sollte. Nach rund dreijähriger Erfahrung muss jedoch nüchtern konstatiert werden: Viele Ziele wurden verfehlt. Das Modell hat zu einer teuren Doppelstruktur geführt, in der Effizienzgewinne durch Wettbewerb ausbleiben und stattdessen Doppelspurigkeiten und Intransparenz dominieren. Die unabhängigen Vermögensverwalter – vor allem die kleineren – fühlen sich von einer Kostenlawine überrollt und bürokratisch gegängelt, ohne dass ein proportionaler Nutzen erkennbar wäre.
Gleichzeitig ist zu erkennen, dass Teile der Branche und Politik aufwachen. Erstmals wird auf nationaler Ebene laut über Alternativen nachgedacht, seien es grundlegende Systemanpassungen oder zumindest dringend nötige Korrekturen innerhalb des bestehenden Rahmens. InPaSu als neue Stimme der Vermögensverwalter hat hierbei eine wichtige Rolle gespielt, indem Fakten und Stimmungen aus der Praxis aufbereitet wurden. Die Umfrageergebnisse sind ein deutliches Votum dafür, dass „business as usual“ keine Lösung ist. Was ist nun der beste Weg vorwärts? Die Analyse in diesem Artikel zeigt, dass es zwei Ansatzpunkte gibt:
1) Reform des Zweistufen-Systems:
Hierunter fallen Massnahmen wie eine andere Verteilung der FINMA-Gebühren (verursachergerechter nach Grösse/Risiko), die Beseitigung von Doppelprüfungen (FINMA vertraut den AOs mehr und setzt das Delegationsprinzip wirklich um) und eine Konsolidierung der Strukturen (möglicherweise Reduktion der Anzahl AOs und Ombudsstellen auf ein vernünftiges Mass). Solche Schritte könnten relativ zügig umgesetzt werden, teilweise sogar auf Verordnungs- oder Weisungsebene. Sie würden das bestehende Modell weniger radikal ändern, aber dessen schlimmste Auswüchse eindämmen. Der Vorteil: Die Kontinuität bliebe gewahrt, und man könnte auf Erfahrungen aufbauen statt ganz von vorne anzufangen. Der Nachteil: Man belässt eine gewisse Doppelgleisigkeit und die Kostenkontrolle bleibt eine Daueraufgabe, bei der man hoffen muss, dass alle Beteiligten Vernunft walten lassen.
2) Prüfung der Direktaufsicht durch FINMA: Parallel – oder falls erstere Massnahmen nicht greifen – sollte ernsthaft geprüft werden, ob die Direktunterstellung nicht doch die sinnvollere Lösung für die Zukunft ist. Dies müsste breit abgestützt diskutiert werden: Was wären die personellen und organisatorischen Konsequenzen? Wie stellt man sicher, dass die FINMA die Aufsicht proportional und effizient ausübt? Könnten ehemalige AO-Experten in die FINMA integriert werden, um Know-how zu erhalten? Es wäre falsch, eine solche Option aus Angst vor dem Unbekannten zu verwerfen. Andere Länder kennen meist ein einstufiges Modell – und auch die Schweizer FINMA hat z.B. bei den Anlagefonds (früher Fondsaufsicht durch Private) die Aufsicht ins Haus geholt, ohne dass die Qualität gelitten hätte. Wichtig wäre aber, begleitend Kontrollmechanismen einzuziehen: etwa regelmässige Reviews durch die Eidg. Finanzkontrolle oder Benchmarking der FINMA-Gebühren, um zu verhindern, dass die Kosten einfach weiter eskalieren.
In jedem Fall gilt: Im Zentrum stehen sollten die Bedürfnisse der unabhängigen Vermögensverwalter und ihrer Kunden. Ziel muss ein Aufsichtssystem sein, das schlank, transparent und fair ist – und das Vertrauen in den Finanzplatz stärkt. Derzeit wird dieses Ziel verfehlt, wie sowohl die objektiven Zahlen (Kostenexplosion) als auch die subjektiven Einschätzungen der Betroffenen zeigen. Effizienz und Verhältnismässigkeit müssen vom Schlagwort zur gelebten Praxis werden. Ob dies durch eine radikale Neuordnung (Direktaufsicht) oder durch beherzte Reformen im bestehenden System erreicht wird, ist letztlich eine pragmatische Frage. Vielleicht ist ein Etappenplan denkbar: Kurzfristig Entlastungen und Verbesserungen unter Beibehaltung der AOs, mittelfristig – sollte das nicht genügen – einen geordneten Übergang in eine Direktaufsicht prüfen.
Die Diskussion hat jedenfalls begonnen, und das ist ein positives Zeichen. InPaSu und andere engagierte Kreise werden den Druck aufrechterhalten, bis die heutige Schieflage korrigiert ist. Denn eins ist klar: Ein Aufsichtssystem, das von der überwiegenden Mehrheit der Unterstellten als “teuer, praxisfern und ineffizient” wahrgenommen wird, ist langfristig nicht haltbar. Es geht nicht darum, Aufsicht an sich in Frage zu stellen – alle seriösen Vermögensverwalter befürworten angemessene Regeln und Kontrolle zum Schutz der Anleger. Es geht darum, wie diese Aufsicht organisiert ist. Hier die richtige Balance zu finden, ist Aufgabe der nächsten Phase.
Die Einladung zum Dialog seitens der FINMA im Oktober 2024 und die politischen Vorstösse deuten an, dass man bereit ist zuzuhören. Nun liegt es an allen Beteiligten – Aufsehern, Politikern und Vermögensverwaltern – in einen konstruktiven Austausch einzutreten: über Zahlen, Fakten und gangbare Lösungen. Die Chance ist da, das Aufsichtsregime in einem Sinn weiterzuentwickeln, der sowohl den Schutz der Anleger gewährleistet als auch die Wettbewerbsfähigkeit und Vielfalt der unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz erhält.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob wir den Mut haben, auch einmal grundsätzliche Fragen zu stellen: Braucht es fünf AOs? Braucht es zwei Ebenen? Geht es nicht auch einfacher? – Im Sinne aller Beteiligten sollte die Antwort geleitet sein von rationaler Abwägung und dem Ziel eines finanzplatzgerechten, verhältnismässigen Aufsichtssystems. Die Diskussion ist eröffnet – und sie ist notwendig. Denn letztlich darf Aufsicht kein Selbstzweck sein, sondern muss dem öffentlichen Interesse dienen – effizient, wirksam und mit Augenmass.